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COMENIUS

"COMENIUS ist ein medienpädagogisches Forschungsprojekt. Fünf Berliner Schulen sind seit August 1995 über ein ATM-Hochgeschwindigkeitsnetz verbunden, um die Kinder und Jugendlichen auf die Anforderungen der Informationsgesellschaft vorzubereiten. Die Schüler sollen den Umgang mit den neuen Medien lernen und sich kreativ und kritisch mit den Kommunikationsmöglichkeiten auseinandersetzen. Dazu brauchen sie neue Unterrichtskonzepte wie schul- und klassenübergreifendes Lernen und eine Arbeitsumgebung, die heute schon den Anforderungen von morgen entspricht. COMENIUS führt die Schüler pädagogisch an neue Medien heran. Dafür ist ein Benutzerinterface notwendig, das intuitiv bedienbar ist, Raum für eigene Kreativität läßt und die multimedialen Kommunikationsangebote in einer für die jeweiligen Lehr- und Lernsituationen adäquaten Form visualisiert. ...COMENIUS ermöglicht Kommunikation, Auseinandersetzung und Lernen in Netzwerkwelten mit einer visuell ansprechenden und ergonomisch durchdachten Oberfläche. " -PR Text, Ponton

Ich möchte im Anschluss an die von Ponton unabhängig realisierten künstlerischen Projekte Piazza virtuale und Service Area einen Einblick in die Arbeit an Comenius vermitteln. Ich habe zusammen mit Walter Schönauer und Salvatore Vansco seit August 1994 bei Ponton an dem Oberflächenkonzept und der praktischen Umsetzung der Software gearbeitet. Ausserdem sind an Comenius das FWU-München(Pädagogische Betreuung), die Condat DV Berlin(Netzwerk) und die DeTeBerkom als Auftraggeber im Projekt. Comenius ist seit Juli 1996 technisch und gestalterisch abgeschlossen, und wird bis mindestens zum Sommer 1997 in Berlin laufen. Ich kann von daher bis jetzt weniger über die praktischen Erfahrungen der Schüler und Lehrer mit dem System sagen als zu den anderen beiden Projekten, da die intensivste praktische Erprobung noch aussteht.

Comenius unterscheidet sich insofern von den erstgenanntem Ponton-Projekten, als das es in einen stark funktionalen Rahmen eingebunden ist. Es hat den Anspruch, als innovativer Feldversuch in 5 ausgewählten Schulen in Berlin den Umgang der Schüler und Lehrer mit neuen Medien zu unterstützen. Das Ziel von Comenius ist die Erprobung einer Vernetzung, die Schüler und Lehrer in die Lage versetzt, ortsunabhängig miteinander zu kommunizieren und gemeinsam an Lerninhalten zu arbeiten. Comenius ist eine computergenerierte, dreidimensionale Arbeits-, und Kommunikationswelt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dazu gehört ein Navigations und Orientierungssystem für einen simulierten Raum, sowie eine eigenständige Formensprache mit Raum-, und Objektmetaphern. Die Benutzer der Comenius-Welt können sich, wie bei ServiceArea, im Raum bewegen. Die Navigation innerhalb von Comenius ist mit allen Konsequenzen frei und nicht auf vorbestimmte Pfade festgelegt. Zusätzlich ist das Betrachten, Bearbeiten und Positionieren von Dateien im dreidimensionalen Raum möglich. Comenius ist eine Kombination aus dreidimensionaler, virtueller Umwelt und zweidimensionaler Arbeitsoberfläche, in der durchaus auch herkömmliche Software benutzt werden kann. In gewisser Weise kann man Comenius als einen Ansatz für ein dreidimensionales Betriebssystem für Computer betrachten, da im Gegensatz zu Service Area der Schwerpunkt nicht mehr ausschliesslich auf Kommunikation liegt.

Weltmodell

COMENIUS vernetzt 5 Schulen im Stadtgebiet Berlin sowie die Landesbildstelle Berlin auf einem speziell für dieses Projekt installierten Glasfaser-Netzwerk miteinander. Diese Konstellation diente als Ausgangspunkt für die Gestaltung der Comenius-Welt. Die 5 Schulen bilden die Eckpunkte, die Landesbildstelle als zentraler Anbieter der multimedialen Arbeitsdaten das Zentrum der Welt. Die Schulen stellen dem Besucher einen Addressenkatalog zur Verfügung, die Landesbildstelle den Zugriff auf die Multimedia-Datenbank.

Zusätzlich gibt es in der Comenius-Welt 3 virtuelle Orte, deren Existenz sich aus besonderen Ansprüchen an das System ableitet : Das Konferenzhaus, das Gemeinschaftshaus und das Projekthaus. Aus dieser Konstellation ergibt sich der Grundriss der Comenius-Welt. Innerhalb der Comenius-Welt sind die einzelnen Orte durch ein Netz aus feinen, weissen Linien verbunden, die die Wege der Daten visualisieren und gleichzeitig als Orientierung im Raum zwischen den Gebäuden funktionieren. Zur zusätzlichen Orientierung gibt es einen Horizont, der Aufwärts-, Abwärts- und Kipp- Bewegungen sichtbar macht. Die Objekte und Gebäude haben eine feste Körperhaftigkeit, so dass die Benutzer nicht durch sie hindurchfliegen können, und im Falle der Kollision abprallen. Neben der Möglichkeit, überall in Comenius mit anderen Benutzern direkten Kontakt aufzunehmen, gibt es weitere Funktionalitäten, die den räumlichen Charakter des Systems unterstreichen, und den uns bekannten Computer-Oberflächen das Zurücklegen einer Wegstrecke zum Erreichen einer Funktion gegenüberstellen. So sind auch herkömmlich bekannte Funktionalitäten wie das Löschen von Daten oder das Verschicken von Mail an Orte innerhalb der Welt gebunden, die der Benutzer zum Auslösen dieser Funktionen aufsuchen muss. Allen diesen Orten gemein ist, das sie Orte sind, an denen die theoretische Wahrscheinlichkeit einer Begegnung mit einem anderen Comenius-Benutzer besteht, und nicht nur monologe Funktionen eines Computer-Desktops.

Zugänge

Der technische Quantensprung von Service Area zu Comenius ist nur deshalb möglich, weil Comenius total spezialisiert auf einen bestimmten Rechner-Typ hin entwickelt wurde, und ein extrem leistungsfähiges Netzwerk zur Verfügung steht. Der Preis ist die fast vollständige Inkompatibilität ausserhalb dieses Netzes. Die Comenius Software läuft pro Schule auf je 15 Pentium Rechnern unter Windows 3.11 mit zusätzlicher Videokonferenz-Hardware. Andere Zugänge als diese gibt es bisher nicht. Sie ermöglicht Echtzeit Kommunikation per Text, Video und Ton.

Abbildung der Benutzer in Comenius

Jeder Benutzer der Comenius-Welt bekommt ein UserIcon zugewiesen, sobald er in Comenius eintritt. Dieses UserIcon ist im Gegensatz zu den UserIcons in ServiceArea nicht editierbar. Es gibt jedoch genauso Aufschluss über den Benutzernamen, seine Position und die Gruppenzugehörigkeit des Benutzers. Aufgrund des pädagogischen Konzeptes werden innerhalb von Comenius drei verschiedene Benutzergruppen unterschieden: Lehrer(Würfel), Schüler(Tetraeder) und Gäste(Kugeln). Wir haben diese Grundformen aus zweierlei Gründen gewählt. Zum Ersten sind sie aufgrund der geringen Anzahl von Polygonen auch für langsamere Computer in grösseren Mengen darstellbar, zum Zweiten sind sie trotz ihrer Schlichtheit extrem Verschieden und auch über grössere Entfernungen hinweg Unterscheidbar.

Die Comenius - Farben, Icons und Zeichen

Die Multimediale Wirklichkeit eines Computerbenutzers lässt sich heutzutage in 4 Formate aufschlüsseln. Der Benutzer (und gerade der Comenius -Benutzer) hat es mit TEXT, BILD, FILM und TON Dokumenten zu tun, sowie einer Reihe von Formaten, in denen diese Medien miteinander kombiniert werden. (auf CD-ROMs, in HTML-Seiten, Layoutprogrammen ...). Wir haben diese Verschiedenheit durch die konsequente Zuordnung von Farben visualisiert, um bei den Schülern ein Bewusstsein für die Unterschiedlichkeit dieser Medien als Dokumente und Kommunikations-Technologien zu schaffen.

Für das Medium Text : >>GELB (255 Rot, 255 Grün, 0 Blau)

Für das Medium Film : >>CYANBLAU (0 Rot, 255 Grün, 255 Blau)

Für das Medium Bild : >>NEONGRÜN (0 Rot, 255 Grün, 0 Blau)

Für das Medium Ton : >>ROT (255 Rot, 0 Grün, 0 Blau)

sowie für Software : >>MAGENTA (255 ROT, 0 Grün, 255 Blau)

Daraus ergibt sich ein Farbsystem, das auch auf Entfernung im 3D Raum dekodiert und benutzt werden kann. Alle Interface Elemente der Oberfläche benutzen diese Farbkodierung, und ermöglichen uns so die Gestaltung von Werkzeugen, die aufgrund ihrer Farbe Auskunft über ihre Mediale Funktion geben.

Die Farben und die Icons

Für jeden Dokumenten und Dateientyp gibt es eine grafisches Icon. Dazu gehören Textdokumente, Tondokumente, Filme, Bilddokumente und Software. Projekte und Ordner bilden sich ebenfalls mit einem eigenen Icon ab. Die Icons sind entsprechend ihrer Medienzugehörigkeit in den Medienfarben gehalten. Wo auch immer im Comenius-System, sei es in einem Fenster oder in der Comenius-Welt der Benutzer mit Dokumenten zu tun hat, erkennt er anhand dieser Icons oder an deren Farbe, um was für einen Medientyp es sich handelt. Um den Inhalt eines dieser Objekte zu erfahren, kann das Objekt angeklickt werden. Diese Aktion öffnet ein Fenster über der Comenius-Welt, die aber weiterhin sichtbar bleibt.

Die Gebäude

Die Gebäude sind nichts anderes als Zeichen-Metaphern für verschiedene Funktionalitäten in Comenius. Sie sind nicht bewohnt, sondern beherbergen etwas. Das Projekthaus beherbergt die Projekte, an denen die Schüler arbeiten. Das Konferenzhaus beherbergt die Möglichkeit zur Diskussion in geschlossener Gruppe, das Gemeinschaftshaus beherbergt die Möglichkeit zur Intimität und zum ungestörten Austausch von Briefen. Die Landesbildstelle beherbergt das Datenarchiv und damit die Möglichkeit zur Informationsbeschaffung. Die Schulen schliesslich beherbergen die Telefonbücher mit deren Hilfe man Kontakt zu anderen Schülern und Lehrern aufnehmen kann.

DisNet

"Der eigentliche Zweck ist das Schweben über den Dingen, die wir 1841 wissen." Alexander von Humboldt, 1841

DisNet steht für Discoursive Networking und stellt den Schülern und Lehrern in Comenius das Rüstzeug zur Be- und Erarbeitung von Projektinhalten zur Verfügung. DisNet ist ein Hyperlink System, das die semantische Vernetzung von Argumenten (Dokumenten) untereinander als dreidimensionalen Graphen abbilden kann. Der Benutzer von DisNet kann sein Argument (Texte, Töne, Filme oder Bilder) in einen Container legen, und diesen mit einem Bi-direktionalen Link an einen, eventuell von jemand anderem erzeugten Container kleben. Daraus ergibt sich eine Molekül-Modellartige Struktur, deren äussere Form Aufschluss über Bezugshäufigkeit, Aktualität und Diskussionsdichte zulässt. Der Inhalt erschliesst sich durch Öffnen der Container und das Nachvollziehen der Argumentation erschliesst sich durch Verfolgung der Links im Raum. Statt also auf einen Link zu klicken, um danach schlaganfallartig mit der neuen Information konfrontiert zu werden, erlaubt Disnet die kontinuierliche, schwebende Bewegung im Informationsraum.

Netzwerk

Grundlage ist ein 144 megabit Glasfaser WAN ( Wide Area Network ) das 5 Berliner Schulen und die Landesbildstelle Berlin verbindet. Das Netzwerk Protokoll ist ATM (Asynchronous Transfer Mode). Der entscheidende Vorteil von ATM gegenüber Ethernet ist die Entlastung des PCs bei der Netzwerk-Kommunikation. Eine spezielle Hardware, der ATM-Hub, übernimmt die Verteilung der Datenpakete. Die PCs müssen nur noch senden und empfangen, nicht aber sortieren.

Software

Ein Datenbank Server sorgt für die Zentrale Userverwaltung und die Multimedia-Datenverwaltung. Das Comenius-Frontend, also die Software mit der die Schüler arbeiten, enthält bereit das 3D-Modell der Comenius-Welt inklusive aller Symbole und Formen. Die Positionsveränderungen und Kommunikation der Benutzer sowie die Abbildung von Video, Audio, Text und Bild werden über das Netz übertragen. MPEG- Video, BMP-Pixelgrafik, Audio IFF und Text können von dem Frontend dargestellt werden. Zur Bearbeitung dieser Daten wird aus Comenius heraus externe Software gestarted.

Man kann sich das so vorstellen, dass jeder Schüler seine eigene 3D-Welt auf seinem PC hat, die Software jedoch alle diese Welten miteinander synchronisiert, so dass in allen Welten das gleiche passiert, und die Verteilung absolut unsichtbar ist. Dadurch müssen nur Veränderungen in der Welt, nicht aber die ganze 3D-Welt übertragen werden.

Beobachtungen zu Comenius :

Comenius fällt vollständig aus dem Fernsehrahmen, obwohl die Kopplung an eine Sendung nach dem Modell ServiceArea denkbar wäre. Comenius hat veränderte Zielvorgaben. Es ist kein System, für dessen Inhalt und Funktion eine Künstlergruppe allein verantwortlich wäre, sondern hat den Anspruch, pädagogisch korrekt, technisch innovativ und kindernah zu sein. Die stark reduzierten Formen der Benutzer in Comenius (Würfel, Pyramide und Kugel) schienen mir anfänglich als recht gewagt. Die Reduktion eines Menschen in seiner ganzen eitlen Körperlichkeit auf eine geometrische Grundform (nicht vergessen, dass das unsere Idee war), also auf ein Symbol, rechtfertigten wir mit der geringen Anzahl der Polygone und der damit verbundenen Leistungssteigerung des Systems. Ich rechnete eigentlich mit Protest, doch die Praxis belehrte mich eines Besseren. Die eindeutige visuelle Unterscheidung zwischen Lehrern und Schülern ist genau das, was alle Beteiligten als positiv und sehr sinnvoll erachten. Viel mehr Probleme macht die optische Trennung der Medientypen. Auch wenn die Arbeit mit nach Medientyp getrennten Dokumenten möglich ist, so entspricht sie nicht mehr dem Alltag der Arbeit am Computer. Als wir uns 1994 für diese Trennung entschieden, war unsere Intention die Visulisierung der Verschiedenheit von Film-, Ton-, Text- und Bilddaten, da sie extreme Unterschiede in ihrer Grösse(in Bezug auf Speicherplatz) und damit auch in der Zeit, die es benötigt, sie zu laden, aufweisen. Es ist jedoch inzwischen selbstverständlich, Bilder und Filme in Textdokumente einzubinden. Das WorldWideWeb Format HTML ist bekanntermassen ein solches Multimediaformat, dem wir in zukünftigen Projekten begegnen müssen. Der wohl technisch Innovativste Bereich von Comenius, die 3D-Welt, würde Inhaltlich und Pädagogisch vermutlich die wenigsten Probleme machen, wenn nicht die Abbildungsgeschwindigkeit der 3D-Welt(siehe Perfomance=Gestaltung) oftmals so langsam wäre, das das Erreichen bestimmter Funktionalitäten im 3D-Raum nahezu unmöglich ist, und so zu einigen Kompromissen geführt hat. Ein Beispiel dafür ist der Mülleimer. Zunächst hatten wir in der 3D Welt eine Reihe von virtuellen Mülleimern aufgestellt. Als klar wurde, dass das Anfliegen dieser Mülleimer sehr lange dauern würde, rutschten sie wieder in ein Fenster. Schade. Ich bin dennoch nach wie vor der Auffassung, dass Funktionen Orte sind, an denen mehr passieren sollte, als das Löschen von Dateien oder das Versenden von Briefen. Das Experiment mit Verortung von Funktionalität steht dann an, wenn die technische Basis für eine flüssige Navigation im virtuellen Raum geschaffen ist.

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