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Fazit

Trotz technischer und konzeptioneller Unterschiede, haben die drei Projekte eines gemeinsam. Sie stellen einen elektronisch generierten Kommunikationsraum zur Verfügung, in dem sich die Besucher und ihre Kommunikation abbilden. Einige Grunderfahrungen heben sich aus den Projekten hervor :

1. Das HALLO ist die Initialzündung der Kommunikation. Hallo ist das Lebens-Zeichen, das Echo, das von einem Anderen durch den Äther zurückkommt, und sagt : Hier ist Leben, das Gespräch kann beginnen. Das Hallo kann von einem anderen Besucher als auch von einer Maschine kommen. So war zum Beispiel das erste, was Piazza virtuale an einen Besucher meldete : Van Gogh TV: Welcome to Piazza virtuale. Der Effekt ist der gleiche. Das Hallo versinnbildlicht die Relation des Anrufers zur virtuellen Welt, und macht ihn für Andere, die Welt für ihn wahrnehmbar. Trotz fehlender Körpersprache des Gegenübers (Augenkontakt, Mimik, Anrede kann bis jetzt kein System reproduzieren), wird Kommunikationsbereitschaft signalisiert, und so eine anfängliche Übereinstimmung hergestellt. Die Synchronisation der Eigenen mit der Kommunikationsbereitschaft der Anderen ist unentbehrlich für den Beginn einer Unterhaltung.

Hallo ? --- Ja ?

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2. Die Visualisierung der Präsenz der Menschen in einem Drahtrahmengarten : Ein Zeichen, das einen Menschen in einem System abbildet, ein Avatar, ein UserIcon, kann sowohl vorgefertigt sein als auch zum selbermachen, kann Text oder Bild oder Ton sein, hervorzuheben sind zwei Dinge: Erstens der Name, der als Anrede und Addresse im Gespräch funktioniert und dem Benutzer eine Identität gibt. Diesen Namen hatte lediglich der Anrufer der Piazza virtuale, wie schon erwähnt, nicht. Zweitens gehört dazu eine Visualisierung von Aktivität. Dazu gehören zum Beispiel : Bewegung im Raum, Gesprächsbereitschaft, Stimmungsindikator, Zuhörend oder Abwesend, sprich, all jene Aktivitäten, die uns im wirklichen Leben unbewusst durch Gestik, Mimik, Entfernung, Licht, Sprache usw klar werden, die man aber in einer abstrahierenden Symbolwelt nicht ohne weiteres sehen kann. Da der Computermonitor als Projektionsfläche für die virtuellen Welten in allen drei Projekten dient, wird ein grosser Teil der Sinne und Intuitiven Wahrnehmung nicht bedient, wie zum Beispiel das periphere Sehen. Auch die Abbildung des Menschen in allen drei Projekten war stark vereinfacht. Nach Jürgen Weber baut unsere Wahrnehmung im Bezug auf den Menschen auf das Erkennen des aufrechten Gangs und der Zweibeinigkeit auf.
"Wir können uns das Laufen eines Pferdes nicht vorstellen, ohne nicht auch an seine Gestalt zu denken, ebenso wie das Gehen eines Menschen nicht von der menschlichen Gestalt zu trennen ist. Wenn es auf andere Gestalten übertragen wird - wie zum Beispiel in den Micky Maus Filmen -, wird die Micky Maus zum Menschen."[15]
Keines der drei Projekte benutzte diese Grundmuster der Form und Bewegung des menschlichen Körpers, um ein Anschauliches Zeichen für Mensch zu schaffen. Einen Menschen komplett mit Gestik und Mimik in einem Drahtrahmengarten abzubilden ist vielleicht auch nicht unbedingt notwendig. Genau so wie eine Schachfigur als Symbol für meinen Einflussbereich auf dem Schachbrett stehen kann, kann eine orangene Pyramide meine Anwesenheit in einem Drahtrahmengarten zeigen, ihre Farbe meine Stimmung ausdrücken, ihre Bewegung meine Aktivität etc... Das kann, und das zeigt ServiceArea, vollkommen ausreichen. Im Falle NPSNET und DIVE sieht die Problematik der Menschabbildung ganz anders aus. Um Krieg zu trainieren, kann man Soldaten nicht auf orangene Pyramiden schiessen lassen. DIVE wiederum versucht möglichst naturalistisch abzubilden, um den nahtlosen Übergang von realer auf virtuelle Büroarbeit zu schaffen. Wenn die NPSNET Truppen durch die Scheiben der DIVE-Offices kämen, würden sie allerdings nicht viel erreichen. Die DIVE-Avatare sind nicht auf Leben und Tod sondern auf endlose Meetings programmiert.

3. Noise-Reduction : Besetzte Telefonleitungen und zu langsame Software generieren Kommunikationsstörungen, im Sinne von Claude Shannon : Noise, Rauschen. [7]

Die Schwäche der Piazza virtuale wurde bereits hervorgehoben. Ein Medium wie das Fernsehen, dass sich an ein grosses Publikum wendet, ist zur Bereitstellung einer zentralen Gesprächsmöglichkeit ungeeignet, solange es für mehrere Zehntausend Zuschauer nur 10 Telefonleitungen gibt. Ein Lösungsansatz ist ein disperses System, das die Vernetzung der Zuschauer untereinander, also dezentral leistet.

Um mit der Bewegungsmetapher in einem 3D Raum arbeiten zu können, muss die Geschwindigkeit der Abbildung so schnell sein, dass der Eindruck eines kontinuierlichen Raumes entstehen kann. Ist die 3D Visualisierung zu langsam, bewegt sich niemand mehr und die Orientierung geht verloren. Man darf langsam hier nicht wie das Langsam in einer Zeitlupenaufnahme verstehen. Dieser Effekt wäre wahrscheinlich sogar schön. Langsam im Bezug auf Echtzeit 3D Simulation heisst ruckartig. Der Effekt ist einem Film vergleichbar, der unegelmässig läuft, mal anhält, mal 5 Sekunden überspringt, etc... Es ist extrem schwierig, in einem ruckartigen Medium zu Navigieren. Bei Service Area tummelte sich der Grossteil der Besucher auf der zentralen Fläche, die gleichzeitig der Einstiegspunkt war, da sie von dort nicht mehr weg kamen. Ab einer bestimmten Anzahl Benutzer verzögerte sich die Antwortzeit auf bis zu 15 Sekunden. Es ist leicht vorstellbar, dass es mühsam ist, unter solchen Bedingungen ein Gespräch zu führen.

Des weiteren möchte ich noch 3 verschiedenen Arbeitstechniken zur Entwicklung von Zeichensystemen benennen, die mir in meiner praktischen Arbeit begegnet sind :

1. Die evolutionäre Ansatz, Gestaltung im Fluss : Jene Zeichensysteme, die aus dem Bauch des Gestalters heraus seriell, das heisst nacheinander, in Interaktion mit der gleichzeitig entstehenden Funktionalität, entwickelt werden, und somit eine Sprache ergeben, die ihre innere Logik aus dem Gefühl des Gestalters, im Moment "das Richtige" zu tun, bezieht.

Ein System dieser Kategorie ist zum Beispiel Piazza virtuale. Jeder Sendblock hatte eine eigenständige Zeichensprache, und musste vom Zuschauer erlernt werden. Telefon, Fax und Modem-Icons konnten da sein oder nicht, und sahen mal so, mal anders aus. Oft veränderten sie sich auch von einem Tag auf den anderen. Piazza virtuale ergab visuell betrachtet das Gesamtbild einer bunten, chaotischen (Zeichen)Welt, die viele weitere Welten mit eigenständigen Zeichensystemen enthielt. Ich betrachte diesen Weg der Gestaltung nach wie vor als gangbar, da sich aus der Vielfalt der Bedeutungen von Zeichen insgesamt eine starke Individualität und Eigenständigkeit im Erscheinungsbild von Piazza virtuale ergibt. Kritisch ist in diesem speziellen Fall die Anwendung einer evolutionären Gestaltungsmethode auf die Abbildung von Menschen, da offensichtlich die Akzeptanz einer virtuellen Identität, und die Wiedererkennung eines ebenso individuellen Zeichens dafür, eng miteinander verbunden sind.

2. Neue Zeichen für neue Systeme : Die evolutionäre Annäherung an eine funktionale Problematik, die es vorher noch nicht gab, die aber gerade deshalb ein hochgradig konsistentes Zeichensystem benötigt.

Systeme dieser zweiten Kategorie sind sowohl ServiceArea als auch Comenius. In beiden Fällen ist die Situation für den Benutzer zunächst ungewohnt. Der Raum ist zwar 3D, die Objekte darin jedoch in ihrer Form abstrakt. Die Funktionen und Bedeutungen (Konventionen) des Weltmodells müssen erst erlernt werden. Der Umgang mit vergleichsweise komplizierten Computerspielen, die ebenfalls eine komplett eigenständige Zeichenwelt benutzen, wird dadurch erlernt, dass die Software ununterbrochen neue Situationen im Ablauf des Spiels generiert, in denen die Funktionen der Symbole ausprobiert werden müssen. Auch wenn die Zeichenwelt des Spiels vollständig fantastisch ist, sich zum Beispiel die Farbe und Form von Schaltern zum Öffnen von Türen andauernd ändert, funktioniert das Zeichensystem, da das Spiel nach einem ganz bestimmten Schema abläuft. Eine Sackgasse bedeutet, dass irgendwo eine versteckte Tür ist, eine Tür wiederum, dass sich irgendwo ein Schalter befindet. Die Zielvorgabe virtueller Arbeits- und Kommunikationswelten ist jedoch nicht das Durchlaufen eines Hindernisparkours. Diese Systeme sind, wie Eingangs erklärt, kühl. Der Benutzer muss agieren, um zu lernen. Neugierde und Kommunikationswillen sind Voraussetzung für Erfahrung, der Umgang mit der neuen Zeichenwelt muss explorativ sein.

3. Systematischer Aufbau und Ableitung : Diese Zeichensprachen entspringen der Konsequenten Vor-Definition (Spezifikation) eines Bedarfs. Das Gerüst der Funktionalität ist bekannt und lässt sich in Symbol-Klassen zerlegen. Daraus entstehen im besten Fall "konsistente" Zeichensysteme, die sich einheitlicher Zeichen und Farbkodierung bedienen können. Zusätzliche Symbole können nachträglich aus den bestehenden Zeichen abgeleitet werden, wenn die typischen Gestaltungsmerkmale des ursprünglichen Systems Berücksichtigung finden. "Das Richtige" ist das, was dem bekannten, typischen, erlernten ähnelt, sich der gleichen Schrift, Farben und Formen bedient.

Die dritte Kategorie kann auch zur Anwendung kommen, nachdem eine der ersten beiden den Anfang gemacht hat.

Postulat Fünf :: Jede Software stürzt irgendwann ab !

"Po|stu|lat das; Sachliche oder denkerisch notwendige Annahme, These, die unbeweisbar oder noch nicht bewiesen, aber durchaus glaubhaft und einsichtig ist." --Duden Fremdwörterbuch, 1990

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