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Der Servo-Narziss im Drahtrahmengarten

Szenario
...the kids will go for the interesting stuff. --wayne

A kennt B. Sie sind ein Paar und wohnen in derselben Stadt. Sie kennen sich sehr gut und schon eine ganze Weile. Beide sind Computer-Kids und führen einen grossen Teil ihrer Gespräche über Telefonleitungen, email und Chat. Wenn A und B sich in einem Chat-Forum begegnen, ist der Bezeichnung und das Aussehen ihres UserIcons absolut nebensächlich für ihr Verständniss voneinander. Sie wissen, wo der Andere sitzt, was er wahrscheinlich anhat, wie er riecht, wie er aussieht, was er meint wenn er LOL tippt (laugh-out-loud). Ihre Wahrnehmung voneinander und ihrer Gefühle füreinander spielen möglicherweise in dieser Situation eine der Wahrnehmung des UserIcons übergeordnete Rolle. Das UserIcon kann der Absender A@host.usa auf einer email genauso gut sein, wie A´s 3D-ServoNarziss Moe-D-Ha. Moe-D-Ha ist vielleicht der Name eines Wüstenfürsten aus einem Science-Fiction Roman. A hat diese Firgur schon immer bewundert. Das ist ihm aber peinlich, deshalb verpasst er dem fiktiven Helden das Äussere eines Kartoffelsacks. Vielleicht weiss nur B , dass A dahinter steckt. Für alle anderen stellt A´s Servo-Narziss das dar, was sie sich unter einem sprechenden Sack Kartoffeln vorstellen, auf dem der Name Moe-D-Ha steht.
C ( sieht aus wie ein Elefant ), trifft A im Drahtrahmengarten und die Beiden beginnen eine Unterhaltung. C und A kennen sich nicht und begegnen sich zum ersten Mal. "Hallo", sagt C, "was machst du denn so ?". "Ich bin Programmierer", antwortet A, und verfärbt sich grünlich. Nun ist es nicht so, dass C etwa denken würde : "Was für ein armer Irrer. Hält sich für einen Programmierer und ist doch nur ein Kartoffelsack aus Arabien.", nein, er denkt vielleicht : "Interessant, das will ich doch auch mal werden." Bewundernd lässt er ein Ohr verschwinden, wird vollständig rosa , und die Unterhaltung wird weitergeführt. Diese Beiden wissen, dass alles was sprechen kann, mit hoher Wahrscheinlichkeit der Servo-Narziss eines anderen Besuchers ist, egal wie bescheuert es aussieht.

Ich möchte diesen abschliessenden Teil meiner Arbeit in drei Teile unterteilen, denen eine Idee von drei Infomationskreisläufen zugrunde liegt. Der erste Kreislauf ist die Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Computer. Der zweite Kreislauf beschreibt die Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Abbild im Drahtrahmengarten, und er dritte ist das Rendezvous der Servo Narzisse im Drahtrahmengarten.

1. Körper

Man stösst bei der Suche nach Material über die Abbildung des Menschen im virtuellen Raum immer wieder und auf Aufsätze, die die Problematik der Zweitkörper (Rötzer) ausschliesslich als eine Frage der Schnittstelle (Interface) zwischen Mensch und Maschine behandeln, so als wäre die Möglichkeit Daten zu manipulieren, das Gleiche wie die Perfektionierung der Mensch-Maschinen Verbindung, und es ginge letztlich um so etwas wie Verschmelzung des Körpers mit dem Computer. Die Sensation, die den ScienceFiction Phantasien innewohnt ist sicherlich auch reizvoll, der Gehirnstecker, das Bio-Implantat und die Festplatte im Grosshirn. Detlev Linke sagt dazu : "Die Natur ist diesen Dingen offen.", und hat in einem unlängst in News and Stories ausgestrahlten TV-Interview eindrucksvoll darauf hingewiesen, dass die Kopplung von Hirn und Schaltkreis nicht nur machbar, sondern in unserem Gehirn die Anlage für eine Kommunikation mit jedweder Art von angeschlossener Maschine vorhanden ist. So wie wir als Baby erst lernen müssen, unsere Hände zu benutzen, so würden wir auch lernen Gehirnimplantate zu benutzen. Der australische Performance-Künstler Stellarc arbeitet seit Jahren schon mit Maschinen, deren Funktionen er über in seine Muskeln implementierte Bio-Feedback-Sensoren steuert. OK. Das geht also. Doch diese plastischen Illustrationen der Entkörperung verstellen letztendlich den Blick darauf, dass diese Technologien nichts weiter sind als eingebaute Tastaturen, Mäuse, Joysticks, Autos. Interfaces eben, deren Funktion die Steuerung von Maschinen ist, und Sicherlich AUCH dazu genutzt werden kann, ein UserIcon durch eine virtuelle Welt zu steuern. Die Existenz von Drahtrahmengärten bedingt jedoch nicht den chirurgischen Eingriff. (Ich zumindest sitze Physisch unversehrt vor meinem Computer und trinke Tee (4 Liter/Tag oder 0.8l auf 50 Megabyte).)

Verdrahted

Als William Gibson den Begriff des Cyberspace 1984 definiert, spricht er von Datenreisen. Der Mensch betritt das Bild, wird Teil des Szenarios, und ist nicht mehr passiver Konsument der zu ihm gesandten Informationen. Er ist Newromancer komplett eingedrahtet in die Matrix, den Cyberspace. Der Romanheld Case ist der erste aktiv Reisende im Datenraum, der die Kontrolle über seinen Körper gegen die Kontrolle über Daten tauscht.
Dazu Karlheinz Lüdeking : [6]
" ...auch wenn Case sich gelegentlich bewusst zu machen versucht, das nichts von dem was er [im cyberspace] sieht und fühlt, real vorhanden ist, so ändert das nichts an der Realität seiner Empfindungen. Er reagiert auf all die fiktiven Figuren... die ihm vorgegaukelt werden, ganz so, als als ob er ihnen wirklich begegnete...In der Fusion mit der Maschine setzt er schliesslich nicht nur sein Bewusstsein, sondern auch seinen Körper rückhaltlos und lustvoll jenen Eindrücken aus, die ihm mit höchster Geschwindigkeit ...eingeprägt werden. Was er nicht besonders schätzt, ist der leibhaftige Umgang mit anderen."

Der Körper von Case ist leer, solange er eingesteckt ist, und auch seine Datenreisen sind eher proffessionelle Kampfeinsätze als freiwillige Unterhaltung. Erst 1992 endeckte Neal Stephenson in seinem Roman SNOWCRASH, das sich der Blick auf den Cyberspace geändert hat. In seiner Vision vom Metaversum treffen sich die Menschen im virtuellen Raum, um zu trinken, zu schwatzen, zu flirten und natürlich, um Verbrechen zu begehen, und sie tun das nebenbei. Stephensons Metaverse ist eine digitale Kopie der Wirklichkeit. Wenn Gibson noch davon ausgeht, das die Abbildung der Menschen im Cyberspace nicht getrennt ist von der Wirklichen Person (einmal mit dem System verbunden, ist der wirkliche Körper eine verlassene, verkabelte Hülle, die man vom Stuhl kippen kann), beschreibt Stephenson als erster der Cyberpunk-Autoren die Trennung von Erst- und Zweitkörper. Trotz Verdrahtung führt der Mensch weiter sein Tagewerk aus und ist dabei mit einem Auge im elektronischen Raum, der ihm sowohl zur Unterhaltung als auch zur Arbeit nützlich sein kann.
Stephenson ist damit einen Schritt weiter gegangen als Gibson, dessen Matrix in erster Linie die Visualisierung der weltweiten Netzwerkzusammenhänge ist, und damit den mit der Matrix verbundenen Menschen im geschlossenen Kreislauf mit sich selbst (McLuhan, Wiener s.u. : Mein geiler Zweitkörper) zurücklässt. Stephensons Avatare sind mit allen Attributen der Kommunikationsfähigkeit ausgestattet. Die Unterhaltung, das Rendezvous im Drahtrahmengarten, ist Sinn und Zweck des Metaversums. Wir befinden uns im Moment im Paläozoikum dieser Vision, wenn wir wollen.

Mit dem Kopf durch den Schirm in den Kopf

"Computers...They´lll become fabric. Magic handkerchiefs with instant global access."
- Bruce Sterling

Vor dem Bildschirm wird unsere periphere Wahrnehmung nicht bespielt. Dadurch fällt das aus diesem Bereich gelenkte, stark emotional gefärbte Opfer-Jäger Verhaltensschema weg. Im Gegensatz zum Bildschirm, der eine passiv fixierte Körperhaltung verlangt, können simulierte 3D Räume für die visuelle Wahrnehmung den Eindruck der freien Bewegung im Raum vermitteln, wenn VR-Equipment wie Datenhelme oder, nicht ganz so effektiv, Stereobrillen eingesetzt werden. Dadurch, dass der VR-Helm den gesamten Sichtbereich inklusive des vor einem Monitor nicht beanspruchten peripheren Bereich mit Bildern bespielen kann, kommt es zur Immersion (Eintauchen) der Person in eine virtuelle Welt, die Sinne werden überlistet. Diese Helme und Handschuhe sind immer noch unglaublich Sperrig und Unhandlich. Sie sind nicht nur schwer, sondern beschränken auch noch den Degree of Freedom(Grad der Bewegunsfreiheit, DoF) des Kopfes durch Kabel oder Gelenkmechanik. Auch ist die Qualität der Bilder in der Regel sehr schlecht. In dem Hollywood-Film "Projekt Brainstorm" von 1984 bringt es der Schauspieler Christopher Walken, der den Erfinder einer immersiven Erlebnisaufzeichnungs- und Wiedergabetechnologie spielt, auf den Punkt, als er der Produkt-Designerin erklärt, wie man seine Erfindung marktgerecht aufarbeiten muss :
"Es darf nicht grösser und schwerer sein als eine Sonnenbrille. Glaubst du das du das schaffst ?"
Der Datenhelm hat zusätzlich den grossen Nachteil, dass ein grosser Teil der Wahrnehmung des Raumes, in dem sich der eigene Körper tatsächlich befindet, abgeschnitten ist, und man beim Geniessen eines virtuellen Szenarios durchaus Opfer eines Zimmerbrandes werden kann. Und hier spielt Gibson den Ball wieder zurück : In seinem 1993 erschienen Roman Virtual Light ist das zentrale Objekt des Interesses eine Brille, durch die der Betrachter die Netzwerkzusammenhänge einer Stadt sehen kann. Das Erkennen der Dinge wird immer leichter.

2. Narzissmus

Mein geiler Zweitkörper

Marshal McLuhan schreibt 1964 in seinem Buch Understanding Media: [3]
"Der Jüngling Narziss fasste sein eigenes Spiegelbild im Wasser als eine andere Person auf. Diese Ausweitung seiner selbst im Spiegel betäubte seine Sinne, bis er zum Servomechanismus seines eigenen erweiterten und wiederholten Abbilds wurde[...]Er war betäubt. Er hatte sich der Ausweitung seiner selbst angepasst und war zum geschlossenen System geworden. Nun, worauf es bei dieser Sage ankommt, das ist der Umstand, dass Menschen sofort von jeder Ausweitung ihrer selbst in einem anderen Stoff als dem menschlichen fasziniert sind. "

McLuhan behauptet weiter, dass die Ausweitung der Person in ein anderes Medium gleichzeitig die Selbstamputation mit anschliessender narkotisierender Schockwirkung zur Folge hat. Der betäubte Mensch kann sich nicht mehr selbst erkennen, sondern stagniert im Zustand des medial injizierten Glücksgefühls, der Selbstbetrachtung im Spiegel der Medien. Oswald Wiener greift diese Metapher 1966 in seinem Aufsatz Der Bio-Adapter auf : [1]

"[...]er[(der bio-adapter)] kann als die sich ins zunaechst noch"ausserleibliche" erstreckende hypertrophie der organmoduln sowie der nervoesen baukomplexe seines inhabers interpretiert werden, und ist in dieser betrachtungsweise ein konverter der vom menschen in dessen umgebung projizierten lustimpulse. (servo-narziss)"

Der Begriff Servo-Narziss scheint demnach das treffendere Wort für UserIcon oder Avatar, also für die Abbildung des Menschen im Drahtrahmengarten zu sein, die man im Sinne McLuhans als eine Erweiterung des Selbst in den elektronisch generierten Raum begreifen kann. Wieners Servo-Narziss ist die Vorstufe zu einer Maschine (dem bio-adapter), die das Glücksbedürfniss des Menschen, immer im richtigen Moment und individuell aufbereitet, befriedigt. Bezogen auf das UserIcon wäre das Modellieren eines Servo-Narzisses die Konstruktion einer Maschine, deren Attribute ein Wunsch-Eigenbild des Erbauers erzeugen, um ihn das Glück einer coolen Identität im Cyberspace erleben zu lassen. In dem Szenario (s.o) hat sich A entschieden, eine Figur als Repräsentant seiner selbst zu wählen, mit der er sich identifiziert (Moe-D-Ha), will aber nicht für kindisch gehalten werden und äussert dies durch die Wahl des Kartoffelsacks als äussere Form. So kann sich der Mensch hinter seinem UserIcon verstecken, wie in einem Kostüm auf einem Maskenball. Er kann sich interessant machen, geheimnisvoll oder mächtig erscheinen, ganz wie er will.

Ist also der Servo-Narziss die ferngesteuerte Eitelkeit, eine Anziehpuppe am langen Joystick-Kabel oder aber die legitimerweise selbstgestaltete Vertretung meiner selbst in einem Forum, dessen physikalische Gesetze nunmal so einen Zweitkörper notwendig machen, um im elektronischen Raum vertreten zu sein ? McLuhan und Wiener sprechen von der medialen Berieselung der Sinne zur Erzeugung eines Glücksgefühls, also von einer durch und durch passiven Rolle des Narziss, der sich durch technische Erfindungen (Kleidung, Auto, TV, Computer,Cyberspace) erweitert und sich mit jeder Erweiterung amputiert, also einen Teil seines Körpers aufgibt, um dessen Funktion fortan mit Hilfe einer Maschine auszuführen, die schöner, schneller und geiler ist, als das peinlich fleischige Original.

In Snowcrash[10] suchen sich die Menschen die Form ihrer Erscheinung(Avatar) aus einer Liste vorgefertigter Körper aus, oder sie programmieren sie selbst :"If you're ugly, you can make your avatar beautiful. If you've just gotten out of bed, your avatar can still be wearing beautiful clothes and professionally applied makeup. You can look like a gorilla or a dragon or a giant talking penis in the Metaverse."

Ein Avatar ist in der Mythologie die Inkarnation einer Gottheit, ein fleischlicher Körper, der es dem Gott ermöglicht, auf Erden zu wandeln. . Eines der ersten BBS System in Kalifornien, CommuniTREE, eröffnete seine Aktivitäten 1978 mit dem Satz : Wir sind wie Götter, und könnten darin ganz gut werden. [14] Bernie Roehl, seines Zeichens 3D-Veteran und Programmierer, veröffentlichte 1994 eine Heim-Bastelanleitung für virtuelle Welten unter dem niedlichen Titlel : Playing God : [13]

"The VR-Industry needs World Builders. It needs people with a unique combination of technical know-how and artistic vision to enter cyberspace and play god by constructing worlds that let people play and work as effectively as they do in the real world. "

Diese technospirituellen Anmassungen[14] ziehen sich durch die gesamte Cyber-Kultur. Offensichtlich geht eine starke religiöse Faszination von diesem Medium aus. Möglicherweise erlebt aber auch der Begriff des Göttlichen im Menschen seine Renaissance durch die Möglichkeit mit Hilfe des Computers WELTEN herzustellen, die sich von Zeichnungen und Gemälden dadurch unterscheiden, dass sie bewohnt, bereist und verändert werden können. Nach Agrippa von Nettesheim (1486-1535)"...war der Mensch nicht nur nach Gottes Ebenbild erschaffen, sondern auch mit dessen Allmacht begabt. Agrippa löste den Menschen aus dem Stufenkosmos heraus und stellte ihn ins Zentrum der Schöpfung."[16, S. 534 ff.] Der simulierte 3D-Datenraum löst den Menschen aus der Betrachterrolle heraus, und holt ihn aus der Vogelperspektive (Radar, Landkarte, Grundriss) mitten ins Bild hinein.

Individualität, Anschaulichkeit und Imitation

"So ist das Gestaltschema für das allgemeine Wort Mensch eine stark vereinfachte symmetrische Figur, die gerade aufgerichtet dasteht, und deren Arme und Beine symmetrisch parallel zum Körper angeordnet sind. [...] Im wirklichen Leben sehen wir Menschen in dieser Haltung kaum.[...] Das Gestaltschema, welches dem Wort Mensch entspricht, vereinfacht diese optischen Eindrücke zu der beschriebenen symmetrischen Figur und ist insofern ein Vermittler zwischen natürlicher und geometrischer Gestalt."
--Jürgen Weber [15]

Das höchste Mass an Individualität erreicht der Servo-Narziss, der alle gewünschen Attribute seines Schöpfers in sich trägt. Bezogen auf McLuhans oben zitierte Theorie könnte man nun denken, der Glückskreislauf zwischen dem Schöpfer und seinem Werk ist das Ende der Kommunikation mit anderen, da er den Menschen mit sich selbst von seiner Umwelt isoliert. Nach Wiener liesse sich sogar das Umweltmodell vollständig aus dieser Schleife ableiten, indem nicht nur der Raum, sondern auch noch die Kommunikation simuliert würde. Allerdings stellt sich diese Schleife auch in der Praxis ein. Form und Ausdruck des eigenen UserIcons kann zum Inhalt der Kommunikation ( Schrebergarten-Effekt ) in einem Drahtrahmengarten werden, wie es zum Teil in Pontons Projekt Service Area zu beobachten war.

Kinder jedoch nehmen ihre Umwelt wesentlich stärker ICH zentriert auf als Erwachsene, und definieren ihr Interesse an Dingen nahezu ausschliesslich durch sich selbst. In Comenius hat die Möglichkeit zur Manipulation des eigenen Äusseren (Visitenkarte) den umgekehrten Effekt. Die Kinder treten erst durch ihre bildhafte Manifestation in Interaktion mit den Anderen. Die Position des ICHS im Raum und der Vergleich mit den Anderen kann der motivierende und lustvolle Ausgangspunkt der Kommunikation sein.

Selbstgemachte Servo-Narzisse sind allerdings in der Regel nicht besonders anschaulich, sprich, ihre äussere Form lässt nicht unbedingt Rückschlüsse darauf zu, ob sie einen Menschen vertreten, oder Teil der Kulisse sind. Diese Erkenntnis führt in Systemen, deren Inhaltliche Ausrichtung die Ermöglichung von Arbeit in einem vernetzten System ist, oft zum Einsatz immitativer Piktogramme zur Visualisierung der Präsenz von Anderen, damit keine Missverständnisse aufkommen. Vielleicht glauben die Schöpfer dieser Zeichen, dass eine möglichst naturalistische Imitation unserer Welt einen einfacheren Einstieg und schnelleres Verständniss der Situation ermöglicht ?
In DIVE wie in Habitat unterscheiden sich die UserIcons, und da passt auch der Begriff Servo-Narziss nicht mehr, lediglich durch verschiedene Farben von Haaren, T-Shirts, etc... Die UserIcons sind halb-individuell, da sie eine getroffenene Auswahl visualisieren, aber ansonsten in keiner Weise selbstverantwortet sind. Ein selbstgemachtes UserIcon dagegen ist ein Servo-Narziss und immer auch eine Stellungnahme zur eigenen Person.

Erwähnenswert sind hier wieder die UserIcons des NPSNET, deren vordergründige Funktion die Visualisierung eines Weichziels ist, an dem auch simulierte Wundpflege vorgenommen werden kann, und die somit den Einsatz einer möglichst naturalistischen Form notwendig macht. So normierte UserIcons verhindern, dass man gleich erkennt WER derjenige ist, sondern eher WAS derjenige ist ( Freund oder Feind ), und in welchem Zustand er sich befindet ( Tot oder Lebendig ). Es gibt auch sicherlich nichts Anschaulicheres aus dem Bereich Drahtrahmengärten als diese naturalistischen Soldatenfiguren. Aber sie sind letztenendes auch nichts anderes als ein Verweis auf Treffer im Brust- und Kopfbereich anbringen !, und nicht auf ein Individuum.

Wayne und Squishy zu ihrer Vision vom Zeichen für Mensch:

Squishy :: "The perfect avatar should be EXPRESSIVE. It can be anything...humanoid in shape or a planet...or a bug, whatever. As long as the avatar can express emotion, then it does it's job. You could have all sorts of organic type things (humans, bugs, insects...) -- cartoons show us that yes indeedy all these things can be expressive enough...in the extreme. I'm curious to see how new forms of avatars...non-traditional ones express emotion. I see some 'tars getting bright red and steamy when they're pissed off...or blue to denote calmness/tranquility/sadness. Color will play a large roll in defining "feelings". How an avatar moves or animates itself will be important. When I'm upset or agitated, my avatar should move in that manner. If I'm tired or just feeling slow, low, or sad...my 'tar should slouch...move slowly etc. To represent a human, you've got to get to the heart of soul...express what's going on inside. Avatars will look like anything, but they'll still need to express the same emotions and feelings we've been having for the last million years..."

Wayne :: "hmm. i dont think that "avatars" neccesarily will have to attempt at representing a human, in terms of the physical sense. they, of course, will represent sections of the creators imagination. well, "snow crash" tells us that there will be 2 approaches to avatars. those that very closely represent the person who is using them (even slightly enhancing features to make them look better than real life) . also in this category are the "brad" avatars, which are generic california white people. or the whimsical, crazy cartoon type avatars. that more resemble "loony toons" than real life. some sort of lsd like fantasy. WIRED magazine had this wonderful 3d art a few months ago in a story about avatars. very contemporary pyschadelic. i suspect that people will have several avatars. for different moods, different situations. business and pleasure type of thing. right now the number of people who know what an "avatar" is very very small. some people heard about it. even less actually "have" one.i think the revolution from paper mail to email is just happening. same with chat. there are 5 million people on America Online. paying users. 40% of ALL hours spent on AOL is CHAT.online chat is a huge business and a social phenonmena. the transition between this text based chat and moving image/audio based chat (be it video CUseeMe, VRML, audio) will take some time. bandwidth and peoples computer arent ready yet. kids who are 9, 10, 11 and 12 will be the ones to decide. you should ask them. the adults will opt for avatars that resemble themselves. the kids will go for the interesting stuff."

(Man kann diese Ansätze noch um die Parameter der Zeichenkette, also einer Abfolge von Zeichen, erweitern. Mir stehen in einem 3D-Weltmodell die Möglichkeiten der Animation zur Verfügung. Die Dinge können sich bewegen, die Farbe und Form ändern und Töne aussenden. Zum Transport von Artikulation, also Kombinationen von Mimik, Gestik und Sprache, scheint mir die Animation sehr nützlich zu sein. Auch ist Animation sehr anschaulich, und wenn gekonnt in Szene gesetzt, auch sehr individuell. Wenn sich etwas rot färbt, kann ich darüber sehr anschaulich WUT oder wenn es sich zart rötet, SCHAM ausdrücken etc...)

3. Rendezvous

Servo-Narziss im Drahtrahmengarten ist der Repräsentant des Ichs. Es ist die Stelle im elektronisch generierten Raum, an der alles Menschen-Mögliche passieren kann (Hallo, hier kannst du ein Gespräch beginnen !). Das UserIcon ist der Punkt der erhöhten Kommunikationswahrscheinlichkeit. Es ist vor allem ein Zeichen in beliebiger Gestalt, ein Zeichen für die Anwesenheit von Leben im Datenraum. Das UserIcon sollte eine ganze Reihe von Signalen an seine Umwelt aussenden können, um die Aktionen des ihn steuernden Menschen im virtuellen Raum sichtbar zu machen. Doch wie wird diese Artikulation wahrgenommen ? Mit dieser Frage beginnt der letzte Teil der Beobachtungen, der dritte Kreislauf, namentlich das Rendezvous, der durch ein elektronisches Medium vermittelte Transport aller Äusserungen und des Äusseren, und die Wahrnehmung dieser Information durch einen Anderen.

Als Erstes dazu Clay Graham über Consentual Environments :

"Jung defines a symbol to be "anything that represents more than itself". This concept is at the heart of indexing. Symbolism is the essence of the indexed pointer because it is the mechanism that will allow people of varied modalities to communicate effectively in a simulation space. Indexing is the foundation of tokens. If I make a dictionary of everything that I know exists, describe it in the modalities of my choosing, and give each object a number, it then should be possible for other people to index that number to a representation in their dictionary. The program that represents those indexes is a "client", and the computer that is telling that program what objects are there is "the server". This relationship creates a system where the server sends the client the current indexes, and the client represents those indexes with attributes. Example: Rob is seeing a visual mode and a literary (typing) mode but not a sonic or voice mode. Rob is helping Jim with his tape by visualizing the data object and linking ist to the token, that token then indexes into Jim's client application giving him the brail, sonic and voice object."
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-Clay Graham, Corbu-MOO, http://reality.sgi.com/employees/clay/corbuMOO.html

Der Mensch als Zeichen

Historische UserIcons, ca. 1732

Warum glauben wir, dass dem Symbol, das auf unserem Monitor erscheint, ein Mensch innewohnt ? Charles S. Pierce hat zur Erklärung unserer Wahrnehmung von Zeichen ein einleuchtendes Schema aufgestellt : Wir können ein Zeichen benutzen, um auf ein Objekt zu verweisen. Derjenige, der das Zeichen wahrnimmt (Interpretant), erkennt darin ( und hier wirds knackig) das gemeinte Objekt (Zeichenobjekt). Warum ? Dazu Umberto Eco : "Wie wir später sehen werden, impliziert das triadische Verhältnis bei Pierce [Das Dreieck aus Objekt-Zeichen-Interpretant], auch wenn er nicht ausdrücklich darauf hinweist, ein Element von Konvention und Gesellschaftlichkeit.... "
Wenn zur Dekodierung von Zeichen gemeinsame Konventionen notwendig sind, ist es unumgänglich, dass sich eine Benutzergemeinschaft auf den Code, der zur Darstellung des Zeichens MENSCH benutzt wird, einigen sollte, um so eine Konvention zu schaffen, die für Mensch steht. In ServiceArea wurden alle Besucher als orangene Faustkeile dargestellt, sofern sie sich keine eigene Form gebastelt hatten. [Appendix]
Artikulation ist ein zentraler Punkt. Wie bereit gesagt, es ist nicht unbedingt notwendig die vollständige Komplexität einer menschlichen Firgur und ihrer detaiilerten Bewegungsabläufe in den virtuellen Raum zu übertragen ( Die Ausnahme bilden natürlich solche System, deren Absicht Simulation und Training von realen Situationen ist, wie Telemedizin oder das oft zitierte Militär ) Der zentrale Aspekt ist eher die Verfügbarkeit von Ausdrucksmitteln für den Transport von Stimmung, Haltung, Lage und Äusserungen, eben der eigenen Artikulation und der Individualität. Dennoch bleibt die Problematik der reduzierten Wahrnehmung des Anderen und die Anonymität der Situation bestehen. Es gibt dazu das Beispiel des jungen Psychologen, der sich jahrelang als alte, körperbehinderte Frau in einem Chat-System ausgab, und auf die Art sehr persönliche und intime Beziehungen zu anderen Frauen aufbauen konnte. Seine spätere Enttarnung war für diese Frauen natürlich schockierend. Die Konventionen unserer Gesprächskultur gelten nicht im virtuellen Raum, und das ist sicherlich nicht nur ein Nachteil. Es ist gerade das Fehlen der wirklichen physikalischen Präsenz, die Bedeutungslosigkeit von Körpergeruch, Aussehen und Geschlecht, die virtuelle Kommunikation für viele so reizvoll macht. Auf diesem Karnevalsfest fallen nie die Masken. (Ich empfehle hierzu dem Cyber-Gourmet als Nachtisch die Application to date Sonic, http://www.cyborganic.com/people/sonic. Erst auf Application to date Sonic klicken, dann auf Submissions. Hier findet sich eine Reihe höchst interessanter Beiträge von Bewerbern um eine Verabredung mit Sonic. Die Hürde, die diese Herren zu nehmen haben, ist jedoch ein Fragebogen, der fast immer Demaskiert, wenn, ja wenn die Absichten lauter sind. )